Gemeinsam mit dem VLO und dem VBO haben wir den folgenden

Offenen Brief an Frau Ministerin Ernst geschrieben:

Sehr geehrte Frau Ministerin Ernst,

die Ausstattung der Schulen mit Lehrkräften wird zunehmend ein großes Problem. Alles, was bisher passiert, bringt keine Lösung. Statt endlich eine nachhaltige und tragfähige Lösungsstrategie zu entwickeln und sich mit den an Schule Beteiligten an einen Tisch zu setzen, kommt aus dem MBJS nicht viel. Dort glaubt man, mit einer neuen „Lehrerlaufbahn“ könne man das Ruder herumreißen. Doch was steckt wirklich dahinter und welche Konsequenzen hat es?

Ihr Ministerium hat gemeinsam mit dem MdFE und dem MIK mit der GEW eine Vereinbarung geschlossen, um Seiteneinsteiger, die nur einen Bachelorabschluss haben, in Brandenburg zu verbeamten, ohne jemals eine volle Nachqualifizierung zu erhalten. Inzwischen liegt dafür auch die geplante Änderung des Beamtengesetzes vor.

Die Intention Ihres Ministeriums ist zu verstehen. Der Lehrkräftebedarf Brandenburgs ist eben kaum noch abzudecken und nachdem Berlin nun auch verbeamten wird, versiegt der Zugang von ausgebildeten Lehrkräften aus Berlin. Dafür verfügt Berlin aber über eine sehr große Anzahl von Seiteneinsteigern. Diese werden für eine Verbeamtung gern das Bundesland wechseln.

Die GEW behauptet, dass die im System bereits arbeitenden Seiteneinsteiger für ihre Arbeit wertgeschätzt werden sollen. Aber ist dies wirklich so?

  • Erstens zeigt der Gesetzentwurf, dass es keinesfalls nur um bereits unterrichtende Seiteneinsteiger geht, sondern auch um zukünftige und dies in allen Schulformen.
  • Zweitens ist Realität, dass hier der Lehrer zweiter Klasse erschaffen wird. Die Nachqualifizierung führt maximal in die A12 und bleibt in der Qualität und Quantität hinter der normalen Lehrkräfteausbildung zurück. Trotzdem leisten diese Lehrkräfte die gleiche Arbeit.
  • Drittens wird laut Gesetzentwurf auch noch der Bachelor der Lehrerlaufbahn bevorzugt behandelt und der Anreiz, das Studium nach dem Bachelor abzubrechen oder als Masterabbrecher trotzdem Lehrer zu werden, ist riesengroß.


Wann glauben Sie, werden diese Lehrkräfte für gleiche Arbeit gleichen Lohn fordern?
Dies ist doch eigentlich eine der Standardforderungen der GEW. Diese wird als erste in dieses Horn stoßen. Selbstverständlich fühlen sich die Seiteneinsteiger dann mit einer A12 nicht mehr ausreichend wertgeschätzt.

Wie groß, glauben Sie, soll der der Unmut der ausgebildeten Lehrkräfte noch werden, die 5 Jahre bis zum Staatsexamen oder Master studiert haben mit anschließendem Referendariat und dann trotzdem ein Arbeitsleben lang auch nur die A13 haben?

Wie groß, glauben Sie, wird der Qualitätsverlust der ohnehin schon schlecht dastehenden Brandenburger Schulbildung dann sein, wenn nicht voll ausgebildete Lehrkräfte 40% oder mehr der gesamten Lehrerschaft stellen?

Wie groß, glauben Sie, wird der Unmut der Eltern über die unzureichenden Bildungschancen ihrer Kinder sein? Und ist es dann wieder die Lösung des MBJS, diesem Unmut mit von Schulleitungen geforderten Stellungnahmen zu begegnen, die diese Situationen nicht verursacht haben?

Wie heftig, glauben Sie, werden die Reaktionen der Nachbarländer über das „Absaugen“ von Seiteneinsteigern und Lehramtsbachelors sein? Von den Vereinbarungen, die die KMK beschlossen hat, mal ganz zu schweigen.

Frau Ministerin Ernst,

dass wir die Seiteneinsteiger brauchen, steht fest. Ohne deren Einsatz sind die Schulen nicht mehr einsatzfähig. Gerade deshalb muss allen Seiteneinsteigern die Möglichkeit der vollständigen Nachqualifizierung angeboten werden, wie es beispielsweise in Sachsen praktiziert wird. Dann sind sie nicht Lehrer zweiter Klasse, sondern normale Lehrkräfte, denen übrigens auch jeder weitere Aufstieg in die Leitungsebenen dann nicht mehr verwehrt werden kann.

Sehr geehrte Frau Ministerin Ernst,

auch die Seiteneinsteiger sind jedoch bald nur noch ein paar Tropfen auf den heißen Stein. Die geburtenstärksten Jahrgänge sind nun 60 Jahre und älter. Sie haben mit 63 meist seit 40 Jahren unterrichtet. Nicht wenige von ihnen werden dann in den wohlverdienten Ruhestand wechseln. Wir verlieren von 2025 bis 2030 fast ein Drittel aller Lehrkräfte.  Ausgebildeter Ersatz ist nicht mal ansatzweise in Sicht.

Auch die grundständige Ausbildung von Lehrkräften muss daher dringend forciert werden. Dabei sind weder Einfach-Lehrer noch „duale“ Ausbildungen die Lösung.

Die Anzahl der Studienplätze muss genauso verdoppelt werden wie die Anzahl der Plätze in den Studienseminaren. In den Schulen muss konkret für den Lehrerberuf geworben werden, indem die Schulaufsicht persönlich in die Abiturjahrgänge geht. Damit dies dann Erfolg hat, muss die Attraktivität des Lehrerberufs endlich gesteigert werden.

Denn was hat der Lehrerberuf in Brandenburg zurzeit zu bieten:

  • eine hohe wöchentliche Unterrichtsverpflichtung,
  • vermehrte Erarbeitung und Umsetzung von neuen Konzepten,
  • Übernahme von immer mehr Verwaltungsaufgaben,
  • permanente Erhöhung der Bürokratie,
  • kaum Funktionsstellen,
  • keine sonstigen Aufstiegsmöglichkeiten und
  • keine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung.


Wenn junge Menschen einen Beruf wählen, wollen sie laut Studien eine gute Bezahlung, Wertschätzung, flexible Arbeitszeiten, Aufstiegsmöglichkeiten und eine klare Kompetenzverteilung. Wenn wir dies nicht bieten können, gehen sie woanders hin.

Frau Ministerin Ernst,

tragen Sie bitte dafür Sorge,

dass es in Zukunft keine nicht vollständig nachqualifizierten Lehrkräfte gibt,

dass alle Lehrkräfte der selben Schulform eine in Qualität und Quantität gleichwertige Ausbildung erhalten,

dass junge Menschen den Lehrerberuf ergreifen wollen und werden, weil er attraktiv und zukunftsorientiert ist und

dass unsere älteren Kolleginnen und Kollegen endlich die Wertschätzung erhalten, die ihnen wahrlich zusteht.

Mit freundlichen Grüßen

Kathrin Wiencek                                     Thomas Pehle                                 Werner Lindner

Vorsitzende                                                 Vorsitzender                                        Vorsitzender                 
Philologenverband Berlin/Brandenburg     Brandenburgischer Lehrerverband     Verband Brandenburgischer
                                                                                                                                                                Oberschullehrer